Fünf gute Gründe, warum die Monarchie zu Unrecht als Staatsform unterschätzt wird
In diesen Tagen feiert die Queen ihr 50-jähriges Thronjubiläum, und der niederländische Prinz darf endlich seine Argentinierin heiraten. Für uns sind das gleich zwei gute Gründe, noch einmal an den Prozess der Athener gegen Sokrates zu erinnern. Dieser dialektische Streithansel wurde nämlich vor allem deshalb hingerichtet, weil er gegen die athenische Demokratie gewettert und dafür plädiert hatte, die Monarchie wieder einzuführen. Sokrates kippte den Schierlingsbecher mit großer Lässigkeit. Schließlich wusste er, dass seine Mörder im Unrecht waren und er Recht hatte.
Die Demokratie (wenn man darunter nichts weiter als die Herrschaft der Mehrheit versteht) ist vermutlich die schlimmste Form der Tyrannei. Es gibt kaum einen freiheitsfeindlicheren Satz als "Vox populi - vox dei"; jede totalitäre Meute darf sich von ihm nachträglich gerechtfertigt fühlen. Erträglich ist die Demokratie überhaupt nur in ihrer liberalen Variante, wenn nicht "das Volk" regiert, sondern Gesetze über allem stehen, welche die Minderheiten vor der Herrschaft der Mehrheit schützen. Diese liberale Regierungsform verträgt sich großartig mit der Monarchie, die, wie der weiseste aller Philosophen erkannte, unbestreitbare Vorzüge hat. Sie seien hier an den Fingern einer Hand aufgezählt.
Erstens: Monarchien sind schön. Sie gründen auf Traditionen, die sich in einem historischen Prozeß über Jahrtausende angesammelt haben, und verfügen deshalb über Zeremonien, die unangestrengt prächtig wirken. Das Staatszeremoniell von Republiken dagegen ist häßlich. Es wirkt immer irgendwie eckig. Das kommt daher, dass überhaupt keine Geschichte dahintersteht; die republikanischen Zeremonien wurden von Bürokraten am Reißbrett entworfen. Leider gibt es neuerdings die Tendenz, das monarchische Zeremoniell am republikanischen auszurichten (Könige in Straßenanzügen!). Dieser Kulturverfall kann gar nicht streng genug gegeißelt werden.
Zweitens: Monarchien sind harmlos. Sie befriedigen den offenbar unbesiegbaren Trieb der Menschen, ihresgleichen anzuhimmeln, und nehmen ihm dadurch seine Schärfe. Es ist kein Zufall, dass Monarchien im 20. Jahrhundert weniger anfällig für die Verlockungen des Totalitarismus waren. Wer für die Queen Mum schwärmt, hat ganz einfach keine Ohren für irgendwelche populistischen Phrasendrescher.
Drittens: Monarchien sind - jedenfalls im christlichen Abendland und im Prinzip - ein Schutzwall gegen den Antisemitismus. (Dass es auch antisemitische Monarchen wie Wilhelm II. gab, ist kein Gegenbeweis.) Denn seit der Christianisierung mußten die Könige Europas sich ihre Legitimation aus der Bibel holen: Vorher hatten sie als Nachfahren der Götter gegolten, nun gab es plötzlich keine Götter mehr. Also wurden sie fortan nach dem Vorbild der Könige Israels gesalbt. Das konnte aber nur gerechtfertigt werden, indem man ihre Stammbäume im Alten Testament wurzeln ließ.
Das heißt, die europäischen Könige hatten gar keine andere Wahl, als sich selbst zu Juden zu erklären. Deshalb trugen die Majestäten Österreich-Ungarns den Stern Davids im Wappen. Deshalb wird der britische Thronfolger bis heute am achten Tag nach der Geburt beschnitten, und zwar von einem mohel, einem jüdischen Beschneider. Infolgedessen erscheinen die Juden nicht als Exoten - oder gar Feinde -, sondern als tragende Säulen der eigenen Geschichte.
Viertens: Monarchien lehren Demut. Sie verbreiten nicht die Illusion, dass zum Regieren besondere Fähigkeiten benötigt würden, dass also nur besonders schöne, kluge und tugendhafte Menschen das Staatsschiff lenken könnten. Auch ein Schwerenöter mit abstehenden Ohren, der stottert oder zeitweilig verrückt ist, taugt zum König. Er muss nur dazu geboren sein. Langsam spricht sich ja herum, dass es auf die Intelligenz des jeweiligen amerikanischen Präsidenten gar nicht ankommt, solange er von guten Beratern umgeben ist. Bei Monarchen war das schon immer klar.
Fünftens: Königshäuser sind unterhaltsam. Eskapaden von Prinzen, Bankerte Ihrer Majestät, Orgien im Himmelbett sorgen für unversiegbaren Gesprächsstoff. Wen (außer ein paar britischen Boulevardblättern) interessieren dagegen die verklemmten Affären demokratisch gewählter Politiker?
Im Rückblick erweist es sich als Riesenglück, daß in England nach dem Interregnum des 17. Jahrhunderts die Konterrevolution triumphierte. Die gottesfürchtige puritanische Revolution unter Oliver Cromwell war zwar notwendig, weil sie das Fundament für eine Gesetzesherrschaft legte (so wurde im "Instrument of Government", einem Verfassungsentwurf der puritanischen Revolutionsjunta, zum ersten Mal das Prinzip der Gewaltenteilung festgeschrieben). Doch nach Cromwells Tod kehrte Charles II. aus dem Exil zurück und etablierte einen Hofstaat samt dem zugehörigen feudalen Lotterleben. So bewahrte er die Engländern vor den Schuldneurosen, die Königsmörder heimzusuchen pflegen, und im 18. Jahrhundert genossen sie unter ihren Monarchen die Früchte der Freiheit.
Dieses Beispiel zeigt, dass man widerspruchsfrei Monarchist und Liberaler zugleich sein kann. Ein bayerischer Witz, der Sokrates vermutlich gefallen hätte (und außerdem vorzüglich zum Wahlkampf paßt), faßt diesen dialektischen Sachverhalt in einen kleinen Dialog. Sagt der eine Bayer: "Das Beste wär halt doch eine richtige Anarchie." Antwortet der andere Bayer: "Ja. Aber mit einem starken Anarchien!"
Quelle: Die Welt
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